[quads id=1]

Sram Transmission XX und XO – AXS 2.0

Vor mehr als zehn Jahren war ich in Sedona/Arizona und durfte miterleben, dass Sram mit der Vorstellung der ersten XX1 Schaltung den Anfang vom Ende des Umwerfers am Mountainbike einläutete. Mein Resümee war damals: „One By“ ist besser, weil einfach einfach einfacher ist. Und die US-Amerikanern haben sich nicht auf Lorbeeren ausgeruht. Sie sind Innovationstreiber in Sachen Schaltung und treiben die Mitbewerber förmlich vor sich her. Sorry Shimano, ich mag euren Stuff. Preis Leistung passt immer sehr gut und in Sachen Bremsen können euch die Sram-Leute nicht das Wasser reichen! Sram präsentierte den ersten 12-fach Antrieb auf dem Markt, jüngst die kabellosen AXS Komponenten. Mit den heute vorgestellten Sram Eagle Transmission Komponenten folgt der nächste Schritt. Auch wenn sich auf den ersten Blick gar nicht so viel getan hat – weiterhin 12 Gänge, die gleiche Bandbreite und weiterhin elektronische, kabellose Komponenten – dürfte sich hiermit Fahrradschaltungen nachhaltig verändern.

Bevor wir mit den technischen Details und den Besonderheiten der neuen Sram Schaltung starten, zunächst ein paar grundlegende Fakten. Unter dem Oberbegriff Sram Eagle Transmission werden drei neue Gruppen zusammengefasst, XX SL, XX und X0. Die bisherigen Gruppen, von XX1 Eagle AXS bis zur GX Eagle AXS bleiben weiterhin im Programm. Um die Differenzierung für die Kunden etwas einfacher zu machen, entfällt einerseits die „1“ in der Bezeichnung der Gruppen (XX1 -> XX und XO1-> XO) , andererseits tragen sämtliche neuen Komponenten den Namenszusatz T-Type. Das ist auch deshalb wichtig, da die Antriebskomponenten selbst (Schaltwerk, Kette, Kassette) nicht mit den bisherigen X-Sync 2 Komponenten kompatibel sind.

UDH Schaltauge – ein Wegbereiter für Transmission

Um zu verstehen, was die neuen Sram Eagle Transmission Schaltungen so besonders macht, müssen wir zunächst ein paar Worte zum UDH-Standard verlieren. UDH steht für Universal Derailleur Hanger und ist eine von Sram selbst eingeleiteter Standard, um dem Wildwuchs an Schaltaugen den Kampf anzusagen – mit einem universellen Schaltauge für verschiedene Fahrradhersteller, Modelle und Fahrradkategorien. Wer bereits einmal das Pech hatte, an einem älteren Rad das Schaltauge wechseln zu müssen, weiß, wie schwierig es sein kann, passende Teile zu finden und dürfte diese Entwicklung begrüßen. Inzwischen führen über 40 Hersteller Räder mit UDH (es dürften über 200 Bikes sein) – Tendenz steigend. Mir war der UDH Standard direkt sympathisch, denn eine unempfindliches und universelles Schaltauge ist generell ein Schritt in eine richtige Richtung. Das es im Rahmen keine Gewinde gibt, das die Kette nicht direkt den Rahmen „ansägt“ wenn die Begrenzung für das kleinste Ritzel nicht passt, das sind weitere Vorteile. Das dieser Schaltaugen-Standard aber auch ein heimlicher Wegbereiter war, für die Transmission Gruppen war wohl (fast) Niemandem bewusst. Voraussetzung für ein universelles Schaltauge ist eine festgelegte Norm, die die Abmessungen im Bereich des Ausfallendes klar definiert. Abstand zur Kassette, Abstand zur Nabenmitte, etc. Neugierige können hier einen Blick in die technischen Dokumente des offenen Standards werfen.

Hier gibt es alles Wichtige zum UDH Standard: https://www.universalderailleurhanger.com/

Doch weshalb ist UDH so wichtig für die neuen Sram Schaltungen? Die Antwort darauf ist einfach: Die US-Amerikaner sparen sich das Schaltauge hier komplett und das Schaltwerk wird direkt am Rahmen befestigt. Das gab es zuvor nie – und hat handfeste Vorteile, vor allem bei der Installation und Einstellung. Möglicherweise auch bei der Robustheit. Durch die im UDH-Standard klar definierten Abstände hängt das Schaltwerk unabhängig vom individuellen Fahrrad immer an der exakt gleichen Stelle. Das heißt auch: Identischer Abstand zu allen Ritzeln der verbauten Kassette. Damit werden Einstellungen wie Endanschläge oder auch die B-Schraube obsolet. Da Zuglängung an elektronischen Schaltungen ebenfalls kein Thema ist, erübrigen sich quasi sämtliche Einstellungen, wie man sie bislang von Fahrradschaltungen kannte.

Easy Setup – Burly Built

Einfach Anschrauben und fertig? Nicht ganz! Abhängig von einigen Faktoren wie der Art des Fahrrads (Fully, Hardtail) oder der Kettenstrebenlänge muss der sogenannte Setup-Key gewählt werden. Vereinfacht gesagt lässt sich das Schaltwerk in zwei Positionen montieren. Ebenfalls sind einige Einstell-Schritte vor der eigentlichen Montage am Rahmen zu beachten. Der gesamte Prozess ist etwas ungewohnt, insgesamt aber deutlich simpler als bei herkömmlichen Schaltungen. Durch das Prozedere führen entweder die AXS-App, die Webseite von Sram oder auch die gute, alte, analoge Bedienungsanleitung. Unser Praxis-Check bei der Montage zeigt – noch nie war das Anbringen und Einstellen der Schaltung so einfach wie mit der neuen Sram Eagle Transmission.

Ein Schaltauge ist jedoch nicht nur nervig, wenn es kaputt geht, sondern erfüllt auch einen Zweck. Als quasi „Sollbruchstelle“ zwischen Rahmen und Schaltwerk soll es diese Teile im Falle eines Sturzes vor Beschädigung schützen. Wer ordentlich ballert der hatte das bestimmt schonmal: das Schaltauge bezahlt einen Feindkontakt mit dem Leben. Da Sram bei den neuen Eagle Transmission Komponenten nun auf dieses schwächste Glied der Kette verzichtet, stellt sich die Frage, was passiert, wenn das Schaltwerk einen Schlag abbekommt. Srams Antwort darauf sind die laut eigener Aussage „stabilsten Schaltwerke, die wir je gebaut haben“. In der Präsentation durften wir den Verfolgen wie das Sram Team ein Bike auf die Seite legte und sich darauf stellte, also mit dem Körpergewicht das Schaltwerk belastete. Das Teil funktionierte danach weiterhin. Wie von AXS Schaltwerken bekannt, verfügen Sram Eagle Transmission Schaltwerke die Fähigkeit, Schlägen auszuweichen, nach hinten oder zur Seite. Im Falle eines harten Einschlags sollen sie jedoch auch einiges abkönnen. Falls das Schaltwerk aber doch beschädigt wird, bietet Sram erstmals nun auch Ersatzteile an, die sich einzeln austauschen lassen. So muss nicht das gesamte Schaltwerk ausgetauscht werden – super! Ob die Komponenten das „Stabilitätsversprechen“ halten, wird die Zeit zeigen – wir sind jedoch vorsichtig optimistisch. Sram verspricht die Ersatzteile preislich so zu positionieren, das ein Austausch von Einzelteilen gegenüber dem Neukauf des Schaltwerks monetär auch wirklich Sinn macht.

Shift the Way you Shift

Auch den Schalthebel hat Sram für das Eagle Transmission System komplett neu gedacht und ihm mit dem AXS Pod auch einen anderen Namen verpasst. Optisch hat er mit dem Vorgänger quasi nichts mehr gemein; die Wippe ist verschwunden, stattdessen wird das Schaltwerk über zwei klar getrennte Buttons angesteuert. Optisch und ergonomisch erinnert das neue Bedienteil viel mehr an eine Remote wie man sie vom E-MTB Antrtieb kennt als an einen klassischen Schalthebel. Super sind die zahlreichen Einstellmöglichkeiten, was die Positionierung am Lenker angeht. Auch gibt es verschiedene „Kunststoff-Knöpfe“ und damit weitere Ergonomie-Optionen für verschiedene Geschmäcker. Damit merzt Sram einen der größten Kritikpunkte des Vorgängers aus – mit dem AXS Pod sollte nun wirklich jeder eine ergonomisch passende Einstellung finden. Übrigens: AXS Pod und AXS Controller sind miteinander kompatibel. So lassen sich bestehende AXS Antriebe mit dem neuen Pod ebenso bedienen wie umgekehrt.

Damit jedoch noch längst nicht genug in Puncto Neuerungen; etwas versteckter, aber nicht weniger spannend sind die Veränderungen am Antriebsstrang selbst. Vor allem bei den Kassetten betritt Sram Neuland. Zwar hat sich bei der Anzahl der Gänge (zwölf) und der Bandbreite (520%) nichts getan, aber das Design der Ritzel bzw. der Kassette als Einheit wurde grundlegend verändert. Nach wie vor kommen elf Stahlritzel und ein großes 52er Aluritzel zum Einsatz, nach wie vor natürlich im XD-Standard. Neben kleinen Veränderungen bei der Abstufung ist es aber vor allem das sogenannte Kassetten-Mapping, das mit den Traditionen bisheriger Kassetten bricht: Herkömmliche Kassetten besitzen sogenannte Steighilfen, die dafür zuständig sind, die Kette auf das nächst-größere Ritzel zu ziehen oder sie nach unten fallen zu lassen. Das funktioniert meistens wirklich gut – jedoch sind sie aus konstruktions- und Performance-Gründen nur recht spärlich über die gesamte Kassette verteilt. Manchmal braucht es deshalb eine Umdrehung, bis die Kette ihren neuen Platz findet, während es in anderen Fällen deutlich schneller geht.

Dieses Schaltverhalten dürfte jeder Radfahrer bestens kennen. Gangwechsel klappen mal schnell und manchmal dauert es etwas, mal knallt der Gang richtig rein, machmal geht es sanfter. Bei den neuen T-Type Kassetten setzt Sram nun – stark vereinfacht gesagt – auf weniger aggressive Steighilfen, verteilt diese aber deutlich zahlreicher über Ritzel und Kassette. Bei den kleineren Ritzeln, die drehen schneller, sind es weniger Schaltgassen als bei den größeren Ritzeln. Das Ziel: Ein konsistentes Schaltverhalten in allen Situationen. Zudem schont das weniger aggressive Design die Kette beim Gangwechsel, was sich positiv auf Schaltvorgänge unter Last auswirken soll. Das spielt vor allem am E-MTB eine wichtige Rolle. Auch in Puncto Verschleiß sind die neuen T-Type Komponenten laut Sram ihren Vorgängern klar überlegen. Dazu können wir noch nicht viel sagen, haben zu wenig Erfahrung im Dauerbetrieb, aber es hört sich schlüssig an.

Dieses besondere Kassetten- und Schaltungsdesign verlangt auch nach einer neuen Kette, die durch ihre flache Oberseite auch optisch einiges hermacht. Leider führt diese grundlegende Veränderung auch dazu, dass weder Kassette, noch Kette, noch Schaltwerk mit den bisherigen Eagle AXS Komponenten kompatibel sind. Verständlich – aber dennoch schade.

Als letzte Komponente bleibt die Kurbel samt Kettenblatt. Wenig überraschend bleibt auch hier kein Stein auf dem anderen und alle drei Gruppen erhalten komplett neue Kurbeln. Während XX und XX SL auf ein minimalistische Kurbelarme aus Carbon setzen, dürfte vor allem die neue X0 Alu-Kurbel für Aufsehen sorgen – nicht nur wegen ihres geringen Gewichts von XXXg. Ihr Design kam jedenfalls bei uns in der Redaktion sehr gut an und dürfte nicht selten der Kaufgrund sein. Erstmals sind sämtliche Kurbeln mit integriertem Quarq Powermeter erhältlich, auch das Nachrüsten ist bei sämtlichen Varianten möglich.

Letzteres verlangt jedoch nach einem neuen Direct Mount System für die Kettenblätter mit acht Schrauben. Bisherige Direct Mount X-Sync 2 Kettenblätter lassen sich somit nicht an den neuen Kurbelarmen befestigen. Die T-Type Kettenblätter sind in zahlreichen Ausführungen erhältlich, auch mit klassischem 104 mm Lochkreis, um sie an bestehenden Kurbeln nachzurüsten. So muss beim Umstieg auf das Eagle Transmission System die Kurbel selbst auch nicht zwangsläufig gewechselt werden. Natürlich sind auch Direct Mount Kettenblätter für die gängigsten E-MTB Antriebe erhältlich. Schön sind die neuen, abnehmbaren Bashguards, die sich an den Kettenblättern anbringen lassen. Übrigens: Die T-Type Geometrie der Kettenblätter ist rückwärts kompatibel mit den bisherigen X-Sync 2 Eagle Antrieben. Wer also eine der neuen Kurbeln an seinem momentanen Eagle Antrieb nachrüsten möchte – kein Problem! Interessant für alle die gern mit Leistungsdaten jonglieren: Für einen überschaubaren Aufpreis gibt es die Transmittion Kurbel mit Powermeter.

Trio mit gemeinsamer (Trans)-Mission

Das Sram Eagle Transmission System geht direkt mit drei Gruppen an den Start. Neben der auf Gewicht optimierten XX und der universellen, etwas stabileren X0 Gruppe gibt es nun erstmals auch XX SL Komponenten. Diese sind als einzige von Sram nicht zum Einsatz am E-MTB empfohlen und richten sich ganz klar an XC-Racer und Marathonfahrer. Noch leichter, noch mehr auf Performance optimiert – und noch ein wenig kostspieliger.

Beim Blick auf die Preisliste wird klar: Für die neuen Sram Eagle Transmission Gruppen und Komponenten muss man tief in die Tasche greifen. Zwischen 660 und 720 Euro für ein Schaltwerk? Die günstigste Kassette für 480 Euro? Die XX SL Kette für 180 Euro? Ganz ehrlich: Wir mussten beim ersten Blick auf diese Zahlen auch kurz Schlucken.

Theorie und Realität – UVP und „Strassenpreis“

Diese UVPs von Sram sind mit Vorsicht zu genießen. Ein Blick auf die Preise der entsprechenden Eagle AXS Komponenten zeigt, dass die Unterschiede nicht allzu groß sind, die Schaltwerke sind sogar etwas „günstiger“ geworden. Dennoch liegen die Straßenpreise für die Eagle AXS Komponenten teilweise deutlich unter den empfohlenen Verkaufspreisen von Sram. Entsprechend muss man abwarten, wo sich die Preise für die neuen Sram Eagle Transmission Teile und Gruppen einpendeln. Ein wenig ernüchtert schauen wir auf die Preise für die Verschleißteile, also Kassette und Kette. Hier gibt es doch einen deutlichen Preisanstieg. Es bleibt abzuwarten, ob die von Sram versprochene, bessere Haltbarkeit diesen Preisanstieg ausgleichen bzw. rechtfertigen kann.

Go Ride – Fahreindruck

Wir konnten die Gruppe bereits einige Wochen vor dem Release ausführlich testen. Hierfür hatte uns Sram eine X0 zugeschickt – die Montage an einem UDH-Bike (in unserem Fall ein Orange Switch 7) war wie bereits zuvor beschrieben ungewohnt, aber fast schon erschreckend einfach. Für den Fahreindruck nahmen verschiedene Redakteure und Testfahrer auf dem Rad Platz um ein möglichst breites Spektrum abzubilden. Zunächst waren quasi alle Testfahrer vom Schaltverhalten überrascht – und das erstmal nicht unbedingt positiv. Aber abwarten!

Die Schaltvorgänge sind spürbar langsamer und träger als bei aktuellen Top-Schaltungen. Mögen das auch Sekundenbruchteile sein, man fühlt es. Nur Was sich auf den ersten Metern nach Rückschritt anfühlt, entpuppt sich jedoch nach etwas Eingewöhnung als Fortschritt; auch wenn sich die Kette im Durchschnitt etwas mehr Zeit lässt, um vom einen auf das andere Ritzel zu wechseln, so tut sie dies immer im gleichen Tempo. Ganz unabhängig davon, ob man unter Last schaltet, egal ob bei großen oder kleinen Ritzeln, unabhängig von der Position der Kassette. An dieses konsistente, erwartbare Schaltverhalten gewöhnt man sich sehr schnell und das dürften insbesondere sportive Fahrer zu schätzen wissen. Denn auch wenn eine aktuelle Sram X01 Eagle AXS im besten Fall den Gang schneller wechselt, so nimmt sie sich in anderen Szenarien wiederum deutlich mehr Bedenkzeit. Das Schaltverhalten wird konsistent und berechenbar.

Auch beim Schalten unter Last scheinen die Eagle Transmission Komponenten die Versprechen von Sram zu halten. Selbst bei extremer Beanspruchung (schwerer Gang, Wiegetritt, Anstieg) sind Gangwechsel möglich und kein Problem. Der Unterschied zu Schaltvorgängen in der Ebene ist marginal – einer unserer Tester hält den Unterschied für nicht wahrnehmbar bzw. fühlt keinen – auch das kennen wir so bislang von keiner anderen Schaltung auf dem Markt.

Mehrheitlich positiv waren die Eindrücke vom neuen AXS Pod Schalthebel. Einig waren sich sämtliche Tester, was seine deutlich bessere Einstellbarkeit angeht. Bei der Ergonomie selbst gab es jedoch den einen oder anderen, der den bekannten Controller bevorzugt – wobei dies natürlich auch mit der kurzen Eingewöhnungszeit zusammenhängen könnte. Aber wie dem auch sei – da die beiden Schalthebel kompatibel sind, hat hier jeder die Option, auch den bekannten Controller zu verwenden.

Keine Aussagen können wir zum Thema Haltbarkeit und Robustheit machen. Hierfür war der Testzeitraum schlicht zu kurz und größere Stürze blieben (zum Glück) ebenfalls aus. Wir werden unsere Langzeit-Erfahrungen an dieser Stelle jedoch nach einigen Monaten ergänzen. Wir sind wahrscheinlich ebenso gespannt darauf wie ihr. Die neuen Sram Eagle Transmission Gruppen sind bereits in diesen Tagen im Fachhandel erhältlich. Zunächst ausschließlich als Komplettgruppen – in der nahen Zukunft sollen jedoch auch die Einzelkomponenten verfügbar sein.

Unser Velomotion Kollege, Michael Faiß hat ein Video für euch gemacht:

https://www.sram.com/de/sram

Previous ArticleNext Article