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Langzeittest: Merida OneSixty „6000“ – Lang, schnell und schön

Fotos: Patrick Sturm

Hometrails, Enduro Strecken und Park Laps. Das Merida OneSixty ist für Alles gewappnet. Aber was das 170mm Enduro Geschoss aus Taiwan wirklich kann und wie gut es sich auch noch nach einer Saison anfühlt, erfahrt ihr in unserem Langzeittest. 

Vor einigen Monaten haben wir euch das Merida OneSixty 8000 in einem ausführlichen Test vorgestellt und waren begeistert von dem schicken Carbon Enduro Bike. So begeistert, dass wir es uns nicht nehmen lassen konnten das OneSixty bei Merida als Dauertest für die Saison anzufragen. So kam es, dass ich fast den ganzen Sommer auf dem 170mm Enduro Bike mit Rockshox Fahrwerk verbringen durfte.

Neben den bekannten Hometrails im Bayrischen Wald und am Geisskopf ging es mit dem lila Geschoss aus Taiwan nach Boppard, an den Reschen, nach Südtirol, Arosa und in den Green Hill Bike Park. Was mir aufgefallen ist, was mich begeistert hat und was mich wirklich gestört hat, erfahrt ihr in diesem Langzeittest.

Wie man hier schon ganz gut sehen kann, wurde das OneSixty auch für den test von anderen Komponenten wie zum Beispiel der Öhlins RXF38 verwendet. Deshalb bin ich das One Sixty nicht „nur“ in der Original 6000 Variante mit den Serien-Komponenten gefahren.

Optik und Features

Optisch macht das OneSixty einfach verdammt viel her. Tatsächlich wird man immer wieder auf das Bike angesprochen da die Rahmenform wirklich sehr clean, modern und einfach verdammt gut aussieht. Obendrauf gibts noch eine knallige Lackierung in Lila an die ich mich persönlich erst einmal gewöhnen musste, aber von allen anderen gefeiert wurde.

Die Leitungen werden hier durchs Headset verlegt was zu der sauberen Optik beiträgt, aber beim anpassen der Sparer unter dem Lenker oder sogar schon beim Tauschen des Lenkers mehr Arbeit verursacht, als klassische Leitungsverlegungen. Muss man wollen.

Was gut gefällt ist der Stauraum im Unterrohr. Auf den könnt ihr durch eine Klappe unter dem Tretlager zugreifen und habt dort Platz für eine große Tooltasche mit Pumpe, Reifenheber und weiteren Essentials. Da wir die Tasche aber fast nie gebraucht haben und Schlauch, Heber und Co2 Kartusche an dem vorgesehen Halter unter dem Oberrohr verstaut haben, wurde die Tool-Tasche daheim gelassen um potentielles Gezappel zu vermeiden. Ein Multitool ist von Werk unter dem Sattel verstaut, dass ich aber auch entfernt haben, da ich den Sattel soweit nach vorne geschoben wie es ging um den Sitzwinkel noch steiler zu machen und meine ideale Sitzposition auf dem OneSixty zu finden.

Geometrie: Lang, flach, steil 

Was die Geometrie angeht, kann man beim Merida OneSixty nur sagen, dass es lang, flach und schnell ist. Der Reach in dem uns zur Verfügung gestellten Modell in Rahmengröße L liegt bei ganzen 498mm. kombiniert wird das mit einem recht flachen Lenkwinkel von 64° was die Front ziemlich lang macht. Der Stack hält sich auch in Grenzen. Mit einer Höhe von 625mm macht das die Front lang und tief was vor allem bei langen Touren nicht unbedingt zum Komfort beiträgt. Wir haben uns mit einigen Spacern und einem Renthal Fatbar 40mm Rise ausgeholfen. Das gab uns dann auch bei steilen Abfahrten noch etwas mehr Sicherheit.

Der Sitzrohrwinkel liegt bei stolzen 79° was die Sitzposition weit über das Tretlager bringt. Uns hat das gefallen, kann aber zu geteilten Meinungen führen. Mit der Position des Sattels kann man hier auch noch etwas spielen.

Insgesamt macht die Geometrie des Merida OneSixty recht große Sprünge. Der Reach wächst in den fünf Rahmengrößen von 415mm auf 525mm. Das deckt auf jedenfalls ein großes Spektrum an Körpergrößen und Vorlieben ab. Ich bin 1,86m und habe mich für L entschieden. Durch die Länge liegt das Bike recht ruhig auf ruppigen und verblockten Sektionen. Würde ich es etwas verspielter mögen, würde ich mich für die Größe Mid mit einem Reach von 470mm entscheiden.

Komponenten und Ausstattungen: Merida OneSixty 6000

Das 6000er Modell bietet für 5.999 Euro den Einstieg in das Carbon Sortiment der OneSixty Reihe. Dafür bekommt ihr einen hochwertigen Carbon Rahmen mit Features wie zum Beispiel einem Stauraum im Unterrohr. Beim Fahrwerk setzt die Marke aus Taiwan auf Rockshox. An der Front arbeitet die Zeb Select und am Heck der Super Deluxe Select+. Das Fahrwerk lässt fast keine Wünsche offen. Die Gabel verfügt über ordentlich Steifigkeit und eine angenehme Performance, da sie etwas weniger tief im Federweg steht und trotzdem sehr feinfühlig anspricht. Mit dem Super Deluxe Select+ Luftdämpfer macht man prinzipiell auch nichts falsch. Wir hatten nur das Gefühl, dass wir beim OneSixty 8000, das haben wir ja auch getestet, dank des Ultimate Fahrwerks viel mehr aus dem Hinterbau des Bikes rausholen konnten.

Bei Schaltung und Bremsen wird auf Shimano gesetzt. Das hat uns vor allem bei den Bremsen gefreut. Das SLX Vier-Kolben Set ist zwar nicht die teuerste Bremse, macht aber einen ausgezeichneten Job und verliert auch bei langen Abfahrten den Druckpunkt nicht. Kombiniert ist sie mit 203mm Scheiben. Das reicht für praktisch alle Situationen.

Die Performance der Schaltgruppe war in Ordnung. Tatsächlich hätten wir uns aber in der Preisklasse über eine etwas hochwertigere gefreut, oder lieber eine Gruppe der Konkurrenz aus Illinois am OneSixty gesehen. Rein optisch passt die günstige SLX Kassette schon nicht zum edlen Look des Merida.

Ein Highlight sind die Reifen. An der Front rollt der Maxxis Assegai mit Double Down Karkasse, 3C MaxxGrip Mischung und am Heck der DHR II ebenfalls mit Double Down Karkasse und mit 3C MaxxTerra Mische. Um ehrlich zu sein, kann man diese Reifenwahl auch auf einem Downhill Bike Fahren. Für Leute die viel im Bike Park unterwegs sind oder es auf den heimischen Enduro Trails so richtig stehen lassen wollen ist hier definitiv ausreichend Grip, Seitenhalt der Karkasse und Pannensicherheit geboten. Natürlich sind die Maxxis Tubeless Ready.

Auch die Merida Expert TR Alu Felgen mit Shimano SLX Naben haben fast bis zum Schluss der Bike Park Saison eine wirklich gute Figur gemacht. Leider hat das Hinterrad bei einer der letzten Abfahrten auf der Enduro 2 am Geisskopf einen etwas unsanften Schlag abbekommen und das zeitliche gesegnet.

Merida bietet mit der Hauseigenen Sattelstütze übrigens ein fast perfekte Lösung für das individuelle anpassen des Hubs. Das System braucht aber unser Meinung nach noch etwas Überarbeitung, bessere Buchsen und eine andere Position des Verstellmechanismus. Uns wäre eine andere Stütze auf Dauer lieber gewesen, obwohl der lange Hub von bis zu 230mm schon ziemlich cool war. Vielleicht hat aber deshalb auch die hohe Last auf die Stütze und die nicht dazu passenden Buchsen dafür gesorgt, dass die Stütze verkratzt ist. Prinzipiell tolles System das aber noch etwas Liebe im Detail abbekommen darf.

Langzeittest: Merida OneSixty

Da das Merida OneSixty ein reinrassiges Enduro ist, starten wir mit dem Uphill. Der steile Sitzwinkel sorgt für eine ausgezeichnete Kraftübertragung welche etwas durch die schweren und pannensicheren Maxxis Reifen mit Double Down Krakasse ausgebremst wird. Wer so wie wir auf einem etwas längeren Rad unterwegs ist, wird zwar von den Vorteilen im Downhill profitieren, aber bei langen Touren ziemlich gestreckt auf dem Rad sitzen was nicht unbedingt zum Komfort beiträgt.

Das mag jetzt alles nicht unbedingt positiv klingen, dennoch klettert das OneSixty ziemlich gut den Berg hinauf und hat nicht nur auf verblockten Wanderwegen im Bayrischen Wald, sondern auch auf langen Touren im Koblenzer Stadtwald richtig gut funktioniert. Wer etwas weniger Rollwiderstand braucht, kann auf einen andere Reifen setzen. Ansonsten werden die leichten Nachteile im Uphill von der Performance im Downhill wieder wett gemacht. Immerhin handelt es sich hier um ein Enduro mit 170mm Federweg.

Denn im Downhill merkt man schon nach wenigen Metern wie spurtreu das Merida OneSixty ist. Der relativ flache Lenkwinkel und der lange Reach von 498mm verpassen dem 170mm Enduro ordentlich Laufruhe und Kontrolle in ruppigen, steilen und schnellen Sektionen. Da mir der Stack von 625mm jedoch etwas zu tief war, hab ich einen Renthal Lenker mit mehr Rise verbaut. Das hat die Front etwas höher gebracht und ein zusätzliches Gefühl von Sicherheit im steilen Gelände generiert. Dazu muss ich sagen, dass ich recht lange Beine und einen eher kurzen Oberkörper habe. Dadurch brauche ich generell für mehr Kontrolle einen höheren Stack bei langen Rädern.

Insgesamt hat der OneSixty eine ausgezeichnete Figur gemacht wenn es auf Geschwindigkeit gehalten wurde. Die Geometrie untermalt gekonnt das Fahrverhalten und lädt definitiv zum Draufhalten ein. Das machen auch die Komponenten mit. Das Rockshox Fahrwerk verfügt über ordentlich Steifigkeit und ein tolles Ansprechverhalten. Auch die Shimano SLX Bremsen verzögern gut und tragen zum schneller Fahren mit viel Kontrolle ein. Bock die persönlichen KOMs zu verbessern? Hiermit sollte das kein Problem sein.

Aber nicht nur auf ruppigen und steilen Strecken funktioniert das Merida ausgezeichnet. Natürlich braucht man etwas mehr Kraft in Kurven und sollte schön Aktiv Druck auf die Front des langen Bikes bringen. Dann geht das OneSixty auch richtig gut durch gebaute Anlieger, fliegt über Sprünge und macht auf gebauten Park Strecken richtig Spaß. Dank der relativ kurzen Kettenstreben zirkelt das Enduro gekonnt durch Kurven.

Würde ich das OneSixty Anfängern empfehlen? Ja. Aber dann wahrscheinlich eine Nummer kleiner. Denn das lange Rad verzeiht zwar Fehler bei hohen Geschwindigkeiten und hält seine Spur bei, jedoch braucht es dafür auch eine etwas aktiveren Fahrstil und Druck auf der Front. Auch auf flowigen Strecken ist das von Nöten. Wer sich noch an gebaute Strecken im Park und an die Hometrails ranlassen mag, sollte sich ein etwas agileres Geschoss suchen. Das Merida OneSixty macht mit Sicherheit auch eine Rahmengröße kleiner eine tolle Figur.

Was hat nicht gefallen?

Eigentlich haben ich nichts wichtiges an dem 170mm Boliden aus Taiwan zu bemängeln. Es waren eher ein paar Kleinigkeiten wie die Schaltrguppe und ein extrem schepperndes magnetisches Tool das auch als „Schnellspanner“ an der Hinterradachse dient, die mich genervt haben. Um ehrlich zu sein hab ich ziemlich lange gesucht um die störende Geräuschquelle zu finden.

Obendrauf hat sich zum Ende der Saison der Felgenstoß des Hinterrads geöffnet. Das kann bei einer günstige Alu Felge wie der im Merida verbauten durchaus passieren. Ist aber unnötig und nervig, da dort nichts mehr mit Reparieren ist und am besten eine neue Felge gekauft werden sollte.

Anscheinend ist es der neue Trend, aber ins Headset verlegte Leitungen und Züge sind absoluter Müll. Alleine schon beim wechseln von Spacern und des Lenkers macht das System Probleme da die Schalen verrutschen und man fast schon mehr als zwei Hände bräuchte um alles wieder zusammenzustecken. Aber das ist nicht nur bei Merida so. Ansonsten war ich wunschlos Glücklich und können das Merida OneSixty jedem Racer, Hobby Enduro Fahrer und Park Rat weiterempfehlen.

Übrigens. Die OneSixty Reihe gibt es auch als Alu Variante. Die haben sehr ähnliche Fahreigenschaften, sind gar nicht viel schwerer, und deutlich günstiger.

Fazit: Merida OneSixty

Das Merida OneSixty ist eine ausgezeichnete Enduro Plattform die dank der modernen Geometrie für viel Sicherheit auf anspruchsvollen Trails sorgt. Egal ob auf den heimischen Enduro Strecken, langen Tagen im Bike Park oder Alpinen Touren, das 170mm Bike aus Taiwan funktioniert einfach extrem gut. Das Merida OneSixty ist eins der besten Enduro Bikes die wir in den letzten Jahren fahren durften und definitiv eine Kaufempfehlung.

Weitere Informationen findet ihr unter: www.merida-bikes.com

Bekleidung: Troy Lee Designs und Mons Royale
Bike: Merida OneSixty
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